Was bedeutet Natur?

Eine Exkursion in den Frankfurter Palmengarten

Unwetter, Überschwemmungen und Brände zerstören seit Anbeginn der Menschheit das Leben auf Erden. Das Bild der heilig mystifizierten Natur als Rückzugsort boomt nicht erst seitdem es Malvorlagen für Erwachsene gibt. Dass es sich dabei um ein und dieselbe Natur handelt mag in der Theorie verstanden werden, in der Praxis ist es dagegen ein diskursiver Gedanke.

Professorin Katja Davar besuchte mit ihrem Kurs A Sign in the Forest den Frankfurter Palmengarten, um sich mit dem Begriff „Natur“ auseinanderzusetzen:

Natur – ein artifizieller Begriff? Braucht es neues Konzept?

„Say “Nature” One More Time“ von Timothy Morton war der Ausgangspunkt für die 23 Studierenden, die sich Mitte Oktober im Frankfurter Palmengarten trafen.
Morton ist US-amerikanischer Publizist, Philosoph und Hochschullehrer. Er hat unter anderem mit Björk und Olafur Eliasson zusammengearbeitet. Beide setzen sich in ihren Werken intensiv mit dem Naturbegriff auseinander.
Mortons These: „Die Natur ist ein schlecht funktionierendes Konzept.“ Ein Konzept, das von Menschen gemacht wurde und seit der Industrialisierung romantisch verklärt wird. Natur verkörpert die Gegenwelt zur Kultur und Technik. Ist sie das aber wirklich?

Zum einen ist die Natur, die uns in Europa umgibt, überwiegend eine Kulturlandschaft: Wälder sind aufgeforstet, Felder werden bestellt, Flüsse begradigt. Eine Ur-Natur gibt es hier kaum noch.
Morton stellt sich zudem die Frage, aus welchen Gründen, wir etwas als natürlich oder unnatürlich definieren? Wenn die Natur alles ist, alles umschließt, alles vereint, dann mache für ihn der Begriff „unnatürlich“ keinen Sinn.
„Unnatürlich“ stigmatisiert meist eine Andersartigkeit, die von der Mehrheitsgesellschaft nicht gewollt ist.

Natur wird heute oft zu einer verklärten Inkarnation von Postkarten-Motiven, doch das ist sie nicht. Wie schon Oscar Wilde sagte: „Die Natur ist hässlich.“
Die Natur mordet, für die Natur gibt es kein Warum und keinen Grund. Als Mensch sind wir ein Teil von ihr. Der Mensch ist in seinem Wesen nicht weniger und nicht mehr bedeutend als alle Pflanze und Tiere, in seinen Taten jedoch verantwortlich für die Zerstörung des Planeten.

Um wieder einen ganzheitlichen und umgreifenden Begriff zu verwenden, schlägt Morton „Biosphäre“ vor. Dieser Begriff sei raumzeitlich. Biosphäre schließe uns ein, zeige dass es kein Außen und Innen gibt, das alles mit einander verwoben sei. „Alles was wir berühren, berührt auch uns.“

Ähnlich erging es auch den Studierenden im Palmengarten, die zwischen tropischen Pflanzen flanierten und diese zeichneten. Sie erforschten Philodendren, Flamingoblumen oder Bananenblätter. Hielten Strukturen und Formen fest, die sie in den einzelnen Gewächshäusern umgaben, den Gedanke zur Biosphäre dabei mit einschließend.

Text: Mareike Knevels
Fotos © Prof. Katja Davar