Zweimal Mathilda Mutant

Jokolade, Nordlichter, Masterdart

Das heutige Takeover widmet sich dem Buzzer-Vortrag von Mathilda Mutant. Gleich zwei Reviews sind entstanden, die auf unterschiedliche Weise zeigen, wie inspirierend der Abend für alle Anwesenden war.

Mathilda Mutant

Autorin: Lea Bayer

Mit 113 Zuhörern setzte Designstudio Mathilda Mutant am 14. April 2021 einen neuen Teilnehmer-Rekord bei Buzzer, einer Vortragsreihe der Hochschule Mainz, zur Berufspraxis von Designer|innen. Mit breitem Lächeln auf dem Gesicht und zehn Jahren Berufserfahrung berichtete Mathilda Mutant, die eigentlich Martina Miocevic heißt, von ihrem Werdegang als Designerin. Die Freelancerin hatte 2010 selbst den Bachelor in Kommunikationsdesign in Mainz absolviert und war dann bis 2012 Studentin des ersten Masterstudiengangs der Hochschule. Heute hat Miocevic ein eigenes Studio in Mainz und konzentriert sich ganz auf Corporate Design, Packaging, Editorial und Branding. Zu ihren Kunden gehören unter anderem The Siss Bliss, Juwel-Weine und Jokolade.

Die Erfolgsgeschichte des Designstudios fand ihren Ursprung auf Facebook. Gleich einem modernen Märchen, sorgte die Plattform dafür, dass Miocevics Werke gesehen wurden. Die Reichweite vergrößerte sich, das Interesse stieg und die ersten Aufträge landeten im Postfach. Die steigende Anzahl an Projekten verlangte nach einem Arbeitsplatz außerhalb der eigenen vier Wände. Diesen fand sie in einer Bürogemeinschaft namens „Masterdart“. Das Kollektiv-Büro, das von ehemaligen Kommiliton|innen und anderen Kreativen aus Mainz ins Leben gerufen worden war, schaffte Möglichkeiten zum Austausch, Networking und war nicht zuletzt eine seelische Stütze für die jungen Kreativköpfe.

Der folgende Umzug brachte Mathilda Mutant in einen Raum bei „Studio Less“, welchen sie selbst als „Zehn Quadratmeter Glück“ beschrieb. In diesen zehn Quadratmetern entstand unter anderem das Gestaltungskonzept für das Buch „Menschen tun Dinge“, das erste Branding für Mooikopp und der Einstieg in den Weinmarkt, der in Zukunft zum gestalterischen Heimspiel des Studios werden sollte.

Eine eigene Handschrift habe sie jedoch nach eigener Aussage bis heute nicht in ihren Arbeiten entdeckt. Die Antwort auf die Frage eines Zuhörers, wie man denn seinen eigenen Stil finden könne, lautete also: „Es ist für einen selbst irgendwie wichtig für immer auf der Suche nach seinem eigenen Stil zu sein.“ Dadurch entstehe mehr Vielfalt und eine gewisse Neugierde bleibe erhalten. Dass es sich lohnt Chancen zu ergreifen, wenn sie sich bieten, zeigte ihr letzter Umzug 2017. Durch Zufall entdeckte Miocevic einen alten Fahrradladen. Mittlerweile befindet sich zwischen den Backsteinwänden das Designstudio.

Mit maximal zwei Wochen Urlaub im Jahr und mehr Arbeit als Tage die Woche, war die Designerin in der Lage immer neue Projekte auf die Beine zu stellen. So entstand in Zusammenarbeit mit fünf Mainzer Kreativ-Frauen auch eine lokale Anlaufstelle für „Ladies, Wine and Design“, einer internationalen Aktion, die Designerinnen eine Möglichkeit bietet, sich auszutauschen.

Das immense Arbeitspensum löste bei der Zuhörerschaft jedoch nicht nur Staunen aus, sondern auch Erschrecken. Woraufhin Miocevic erklärte, dass sie sich mittlerweile einen freien Tag in der Woche einräume. Um die eigene Kreativität nicht einzuschränken und persönlichen Projekten mehr Zeit schenken zu können, sah sie sich zudem gezwungen weniger Neuaufträge anzunehmen. So wurde unter anderem Raum für STUDIO IĆ geschaffen, einem Label für Miocevics eigene Produkte. Der Vortrag, der Designerin war geprägt von Passion, Ehrgeiz und Menschlichkeit. Halb eingeschüchtert von der ambitionierten Arbeitsweise, halb mitgerissen von Miocevics sympathischer Art, hörten die Teilnehmer|innen bis zum Ende aufmerksam zu. Mit Emojis stimmten alle Anwesenden in den digitalen Beifall ein. In der anschließenden Fragerunde erschienen statt einem unangenehmen Schweigen, das für gewöhnlich folgte sobald sich nach noch offenen Fragen erkundigt wurde, zahllose Nachrichten im Chat.
Als um 20 Uhr dann die Sitzung beendet wurde, war alles, was blieb, inspirierte Studenten und Tatendrang.

Buzzer-Vortrag: Mathilda Mutant, Gestalterin

Autor: Simon Lauer

„Don’t work for assholes, don’t work with assholes.“ – Dieses Zitat seht eingerahmt auf der Anrichte hinter Martina Miocevic während ihres gut besuchten „Buzzer“-Vortrages am 14. April 2021 mit 113 Zuschauer|innen, die gespannt und voller Vorfreude vor den Bildschirmen sitzen. Im Laufe der Veranstaltung wird mir klar, wie diese Zeilen sich in ihrer Arbeitsweise und in ihrem Umgang mit Kund|innen widerspiegeln.

Ihre Erfolgsgeschichte als Gestalterin hat 2007 ihren Ursprung gefunden, als sie damals mit einer Gruppe anderer Student|innen den ersten Bachelor-/Master-Studiengang Kommunikationsdesign an der Hochschule Mainz antrat. Mit einer Menge Erfahrung, Know-How und ihrem Künstlernamen Mathilda Mutant im Gepäck steht sie 2012 an der Schwelle zur großen weiten Arbeitswelt, ohne wirklich zu wissen, wo jetzt die Reise hingehen soll. Und dann, nach einigen Monaten als Freelancerin in einer Design-Agentur öffnete sich eine ganz neue Tür für sie.

Über die letzten Jahre hinweg hatte sie viele ihrer Arbeiten, hauptsächlich aus dem Bereich Illustration, auf dem sozialen Netzwerk Facebook veröffentlicht und damit das Interesse ihrer ersten Kund|innen geweckt. Alles begann mit ein paar kleineren Aufträgen, wie die Gestaltung einer Broschüre für den Kultursommer Rheinland-Pfalz, und so kam der Ball ihrer Selbstständigkeit immer mehr ins Rollen. Die Zahl der Anfragen wuchs und Mathilda Mutants geteiltes Büro in einem kreativen Kollektiv, dem sogenannten „Masterdart“ in Mainz wurde allmählich zu klein. Ein neuer Ort zum arbeiten musste her und nach einigen Jahren in den Räumlichkeiten der Mainzer Grafikdesign-Agentur „Less“ machte sie 2017 einen rund 100 Quadratmeter großen leerstehenden Fahrradladen aus, der nur ein Jahr später zu ihrem eigenen Design-Studio umgestaltet wurde.

Veränderung und Weiterentwicklung

So wie ihr Arbeitsort und ihre Kund|innen veränderten sich über die Zeit auch ihre gestalterischen Schwerpunkte. Von den anfangs eher verspielten Illustrationen nun hin zu kundenorientierten und hochwertigen Arbeiten mit raffinierten Veredelungen im Bereich Corporate, Packaging und Editorial Design. Einen wirklichen Stil habe sie laut eigener Aussage nicht, und doch hat der Betrachter das Gefühl, genau zu wissen, worauf es bei ihren Arbeiten ankommt. Nämlich darauf, die Besonderheiten eines Produkts in die visuelle Gestaltung umzusetzen und jemandem den Anreiz zu geben, sich näher mit diesem zu beschäftigen. An erster Stelle steht für sie hierbei ein gutes und durchdachtes Konzept, welches durch entsprechend hochwertige Materialien und Verarbeitung ergänzt wird. Neben unzähligen weiteren Arbeiten ist eines ihrer Steckenpferde die Gestaltung von Weinetiketten und -verpackungen für bekannte Hersteller wie Juwel-Weine, Weingut Haack und die Kooperation Drei Freunde Weine der Winzerin Juliane Eller mit dem Schauspieler Matthias Schweighöfer und dem TV-Moderator Joko Winterscheidt.

Darüber hinaus entwirft sie seit geraumer Zeit das Erscheinungsbild des Kultursommers in Rheinland-Pfalz, das im Jahr 2020 unter dem Motto „Nordlichter“ stand. Kunstvolle kleinere Illustrationen zieren die Broschüre der Veranstaltung, ganz im Stil nordischer Strickmuster, die durch ihre Spiegelungen einen einzigartigen und wiedererkennbaren Effekt erhalten.

Abseits von Erfahrung und gestalterischem Können

Und auch wenn die Anzahl und Diversität ihrer Projekte wirklich erstaunlich sind, kommt man einfach nicht umhin, festzustellen, dass die Einzigartigkeit ihrer Arbeitsweise in ihrem Umgang mit Kunden liegt. Zwischenmenschliche Kommunikation und eine ordentliche Portion Herzlichkeit bilden die Grundlage für das freundschaftliche Verhältnis, dass Mathilda Mutant zu ihren Auftraggeber|innen pflegt. Nicht selten kommt es dazu, dass Meetings nach erfolgreichem Abschluss in gemütliche Gespräche bei Kaffee, Kuchen oder Wein übergehen. Das Vertrauen, das hierbei aufgebaut wird, zeigt sich unter anderem auch in der langjährigen und wiederkehrenden Zusammenarbeit mit vielen Firmen und Unternehmen. Auch die Kommunikation mit anderen kreativen Menschen ist für sie unabdingbar, weshalb sie sich seit Jahren schon für das Networking-Event „Ladies, Wine & Design“ engagiert, bei dem in verschiedenen Städten Art- und Kreativ-Direktorinnen zusammen kommen und sich über ihre Arbeit austauschen. Netzwerken spiele eine entscheidende Rolle in der kreativen Branche

Mathilda Mutant hat eine unglaubliche Leidenschaft für ihren Beruf entwickelt. Mit nur zwei Wochen Urlaub im Jahr und einem einzigen Sabbat-Monat steckt sie den Großteil ihrer Energie und ihres Herzbluts in die Kreativität. Als alleinarbeitende Gründerin und Inhaberin eines Design-Studios kommen ihr hierbei auch nicht gerade wenige Aufgaben entgegen. Seit neun Jahren immer noch ohne Website, aber dafür mit einem erfolgreichen Instagram-Account und einer riesigen Menge an Motivation und Tatendrang bestreitet sie ihren Alltag als Designerin. Auch während ihrer Präsentation ist sie in der Lage, diese Begeisterung über die Reichweite der über hundert Monitore zu vermitteln und um es mit den Worten einer der Zuschauer|innen zu sagen, der seine Bewunderung kurz vor Schluss, in den Chat schrieb: „Ein wirklich inspirierender Vortrag“.